Früher waren Deutschland und Deutschland zwei getrennte Staaten, in denen sich die Gesellschaften gezwungenermaßen mehr oder weniger unabhängig voneinander entwickelten. BRD und DDR waren wie zwei fremde Planeten und Wessis und Ossis begegneten sich nach der Wende zwar herzlich wie Brüder und Schwestern, stellten dann aber doch bald fest, dass es so manches gab, was sie noch nach 40 Jahren der Teilung noch immer voneinander trennte.
Arrogante Wessis, die nur auf Geld aus sind, bürokratisch und oberflächlich, jammernde Ossis, die mit nichts zufrieden sind – so sahen sich die Menschen in Deutschland gegenseitig. Ob Forsa, Allensbach oder diverse Studien verschiedener Universitäten: Sie alle ergeben auch heute noch das Bild eines Volkes, das sich nicht als solches sieht. So viel Misstrauen von Deutschen gegenüber Deutschen! Was ist dran an diesen Vorurteilen? Was denken die Deutschen tatsächlich voneinander? Die Kölner mögen die Düsseldorfer nicht, Bayern und Ostfriesen gelten als gegensätzlich und dann diese Ossis und Wessis! Mal ehrlich: Meist handelt es sich bei diesen Klischees doch um Vorurteile. Keiner will sie, aber fast jeder hat sie. Sie machen das Leben so herrlich einfach, diese Schubladen im Kopf. Meinung rein, Denkarbeit erledigt, kann bei Bedarf wieder hervorgeholt werden. Bei Klischees handelt es sich meist um Stereotype. Deutsche gelten international als pünktlich und ordentlich, wenn ein Italiener beispielsweise auf einen Deutschen trifft, nimmt er oft automatisch an dieser Mensch sei nun eben auch pünktlich und ordentlich weil es seinem Bild in der Schublade entspricht.
Dieses Bild hilft uns, das Leben zu sortieren und zu kategorisieren. Wir fühlen uns Gruppen zugehörig und das gibt uns Identität und soziale Stabilität. Gerade die negativen Aspekte an anderen nehmen wir immer gern wahr, weil sie uns bestärken. Dabei sind beispielsweise nicht alle Ausländer kriminell und nicht alle Muslimas mit Kopftuch unterdrückt und unfrei. Was also tun? Tatsächlich haben die Ossis den Wessis gegenüber mehr Vorurteile als umgekehrt. Sie empfinden sich häufiger als Menschen zweiter Klasse, benachteiligt und abgehängt. Und wirklich gibt es in vielerlei Hinsicht allen Grund für dieses Gefühl. Im Osten wurde zwar versucht, die Infrastruktur so rasch wie möglich auf West-Niveau zu bringen, doch immer noch liegen die Löhne unterhalb derer im Westen. Viele Betriebe sind lediglich Zulieferer für Unternehmen im Westen und die meisten großen Firmenzentralen mit gut bezahlten Jobs sind ebenfalls eher im Westen zu finden. Derartige Vorurteile sind auf beiden Seiten zu finden und sie machen das Kennenlernen und Flirten zwischen Deutschen bisweilen nicht einfacher. Dass Ossis sexuell etwas offener sind, zeigt sich daran, dass wesentlich mehr Ossis eine/n Wessi im Bett hatten als umgekehrt. Sind die Wessis also tatsächlich so bieder? Kann man so natürlich nicht sagen. Deshalb ist es wichtig, im alltäglichen Kontakt miteinander umzugehen, die Gemeinsamkeiten zu erleben, statt sich auf die Unterschiede zu fokussieren. Auf diese Weise erweitern wir unseren Horizont, wachsen als Menschen und schaffen neue Sichtweisen. Eine Bereicherung in vielerlei Hinsicht!
Wer Vorurteile also immer noch hegt und pflegt, der wird sie auch nicht überwinden können. Selbst, wenn der Wille da ist, so leicht lassen sie sich nicht vertreiben. So tief sind sie in unserem Denken verankert, dass sich auch viele Jahre nach der Wiedervereinigung solche Gedanken in unseren Köpfen herumtreiben. Die Lösung: Kopf auf und Kontakte knüpfen. Nur wenn der Ossi feststellt, dass der Wessi den er kennt, nicht der einzige nette Mensch ist, und umgekehrt, lässt sich die Wiedervereinigung endlich auf allen Ebenen vollziehen. Wie sollte das besser funktionieren als beim Flirten!